Und jetzt durchatmen – aber richtig! | TMX Gastbeitrag (Part II)
Im zweiten Teil unserer Atmungsthematik widmen wir uns der Einführung in die Praxis der Atemarbeit („Breathwork“). Hier werden wir einige interessante Aspekte betrachten, die sowohl die Wirksamkeit der Atem-Methoden fördern als auch die Implementierung der verbesserten Atemmuster in den Alltag erleichtern. Außerdem kann man mithilfe verschiedener Atemtechniken durchaus sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Es kommt also ganz darauf an, was man möchte: Will man eine natürlich-entspannte Atmung wiederentdecken, um den wahrgenommenen Alltagsstress zu reduzieren? Oder sollte man direkt mit kontrollierter Hyperventilation arbeiten, um resilienter zu werden? Geht es darum, die Ausdauerleistungsfähigkeit (VO2max) zu verbessern? Oder darum, die parasympathische Aktivität für eine verbesserte Regeneration anzuregen?
Wahrnehmung und Entstörung der eigenen Atemmuster
Da es so viele unterschiedliche Atemtechniken und Wirkungen gibt, die teilweise komplex und im besten Fall unter professioneller Anleitung durchgeführt werden, werden wir innerhalb dieses Artikels versuchen, Atemtechniken vorzustellen, die möglichst simpel, sicher, aber sehr wirksam sind. Ziel sollte in dieser ersten Annäherung eine bessere WAHRNEHMUNG und die ENTSTÖRUNG der eigenen Atemmuster sein. Wenn wir dies erreicht haben, können komplexere Übungen und Techniken angewendet werden, um zusätzliche Effekte zu erzielen. Zuerst aber muss die Basis stimmen!
„Hören Sie einfach auf, das Falsche zu tun und das Richtige geschieht von allein.“ (F.M. Alexander)
Übung 1: Achtsames Atmen
Die Grundlage für eine Veränderung ist immer die Fähigkeit unseres Nervensystems, Unterschiede wahrnehmen zu können. Grundsätzlich hat jedes menschliche Wesen die Fähigkeit dazu. Allerdings hängt es auch davon ab, wie gut wir unser Nervensystem darauf trainiert haben, bestimmte Reize in den tiefen Regionen unseres Gehirns zu verarbeiten. Und genau hier setzen wir an: Das beste Tool, was uns zur Verfügung steht, um unsere Atemmuster zu verändern, ist unsere Aufmerksamkeit!
Lege Dich zunächst möglichst bequem auf den Rücken, um diese Übung durchzuführen. Wenn du etwas Übung hast, kannst du dasselbe auch im Sitzen, im Stehen und in jeder anderen beliebigen Situation tun. Nimm Dir zunächst etwas Zeit, um wahrzunehmen, in welcher Weise Du liegst. Welche Teile Deines Körpers sind in Berührung mit dem Boden? Fühlst Du dich von diesem unterstützt? Kannst Du dich entspannen und Dein Körpergewicht komplett abgeben?
Richte Deine Aufmerksamkeit nun auf Deine Atmung, ohne bewusst etwas zu verändern. Allein die Wahrnehmung und Bewusstmachung des Atemmusters wird schon eine positive Veränderung erzeugen. Versuche nun folgende Fragen für Dich zu beantworten:
-
In welchen Bereichen deines Körpers kannst Du die Bewegung der Atmung am deutlichsten spüren? Und wo ist sie nicht so deutlich? Hilf Dir gerne bei der Wahrnehmung, indem Du die Hände an die Bereiche deines Körper legst, die Du untersuchen möchtest (z.B. Rippenbögen, Brustbein, seitlicher Brustkorb, Bauch, freie Rippen).
-
Atmest Du flach in den Brustkorb oder tief in den Bauch?
-
Mit welcher Geschwindigkeit atmest Du? Sind die Atemzüge lang oder kurz?
-
Wie ist der Rhythmus zwischen Ein- und Ausatmung? Welche Phase nimmt mehr Zeit in Anspruch?
-
Kannst Du Atempausen wahrnehmen?
-
Spüre, ob sich im Vergleich zum Anfang etwas an Deinem Muster verändert hat!
Übung 2: Zwerchfell triggern und „dehnen“
Der größte und wichtigste Atemmuskel unseres Körpers ist das Zwerchfell. Dieses liegt wie eine Kuppel an der Innenseite der Rippen und verbindet sich mit dem vorderen Teil der Brust- und Lendenwirbelsäule. Wenn das Zwerchfell nicht an der Atembewegung teilnimmt, es chronisch eingezogen ist, müssen die kleinen „Atem-HILFS-Muskeln“ kompensieren und den Großteil der Arbeit verrichten, wofür sie eigentlich nicht vorgesehen sind. Die Folge können hartnäckige, chronische Verspannungen im Schultergürtel und dem Hals-/Nackenbereich sein. Die folgende Übungskombination hilft dabei, das Zwerchfell von lästigen Spannungen zu befreien.
Triggern:
-
Lege Dich auf den Bauch und positioniere zwei TMX® Original in einer Linie mit Deinen Brustwarzen ca. zwei Finger breit unterhalb Deiner Rippen. Das Ganze geht auch mit einem Trigger, wobei man dabei erst die eine und dann die andere Seite bearbeitet.
-
Lass Dein Gewicht langsam auf die Trigger sinken, indem Du deinen Kopf und die Arme rechts und links neben diesem ablegst und Dich entspannst.
-
Spüre, wie die TMX® Original sich in Dein Zwerchfell drücken und einen deutlichen Reiz erzeugen, der eventuell mit einem Druckschmerz einhergeht. Dabei sollte die Intensität gut auszuhalten sein. Auf einer Schmerzskala von 1-10 wären wir zwischen 5 und 7. Falls vegetative Symptome auftreten (Schwitzen, erhöhte Herzfrequenz, Übelkeit, Schwindel...), reduziere die Intensität des Drucks, indem Du nicht Dein ganzes Körpergewicht einsetzt, bis diese Symptome verschwinden.
-
Beim Triggern sind 3 Kriterien entscheidend für die Wirksamkeit: punktuell, tief und langanhaltend. Versuche also eine Trigger-Zeit zwischen 2 und 5 Minuten zu erreichen.
-
Höre nun auf, ruhe Dich in einer entspannten Position (Bauch- oder Rückenlage) aus und spüre, ob Du Änderungen in Deinem Atemmuster erkennst.
Dehnen:
-
Leg Dich auf den Rücken.
-
Atme in den Bauch ein und mit einem Zischen alle Luft wieder aus. Wenn keine Luft mehr entweicht, stoße noch einmal den letzten Rest Luft aus den Lungen aus.
-
Nun halte die Luft an, zieh Deinen Bauch ein, sodass ein Vakuum entsteht und das Zwerchfell nach oben innen in den Brustkorb gezogen wird. Mache Deinen Bauch dabei so flach wie möglich. Für mehr Intensität kannst Du die Arme über Deinem Kopf auf den Boden bringen.
-
Halte diese Position so lange bis Du das Gefühl hast, wieder atmen zu müssen und gib dem Reflex nach.
-
Lass den Bauch weich und genieße das Gefühl der vollen Bauchatmung.
-
Wiederhole das für 3-5 Mal.
Übung 3: Basic Zwerchfell-Wippe
Das Zwerchfell ist – wie schon beschrieben – ein Muskel und Muskeln können besser oder schlechter koordiniert sein. Es geht darum, spüren zu können, wie sich das Zwerchfell bewegt und wie es sich anfühlt, das Zwerchfell anzusteuern oder zu entspannen. Versuche, Dir während der Übung vorzustellen, wie das Zwerchfell wie ein Fallschirm im Körper aufgespannt oder entspannt wird. Beim Anspannen senkt sich das Zwerchfell in den Bauchbereich ab, wird flach und zieht die Lunge mit sich. Beim Entspannen steigt das Zwerchfell wieder in den Brustkorb und findet in seine kuppelförmige Ausgangsform zurück.
Um die Koordination des Zwerchfells zu verbessern, kann folgende Übung angewendet werden:
-
Lege eine Hand auf die Brust und die andere auf den Bauch.
-
Atme in die Brust und ziehe gleichzeitig den Bauch ein.
-
Halte die Luft an und beginne damit, den Bauch herauszustrecken und wieder einzuziehen.
-
Einmal sollte sich also die Bauchhand heben, während sich die Brusthand senkt. Einmal sinkt die Brusthand, während die Bauchhand steigt.
-
Versuche die Bewegung erst langsam und bewusst, später wenn es gut gelingt, schneller und kleiner durchzuführen.
-
Wann immer Du den Drang verspürst, atme wieder normal.
-
Wiederhole das für einige Minuten.
-
Pausiere und spüre, was für einen Einfluss die Übung auf Dein Atemmuster hat.
Ziel der Übungen sollte sein, ein natürliches und leichtes Atmen möglich zu machen. Vor allem bei regelmäßigem Üben, beispielsweise in Form einer Morgenroutine, wird die Wirkung nachhaltiger. Hast Du einen Effekt für Dich spüren können? Wenn ja, lass es uns gerne wissen! Und falls du neugierig bist, wie man seine Atmung noch vielfältiger nutzen kann, hale die Augen offen: In Kürze könnt Ihr mehr über unsere Atem-Ausbildung „TMX Free Your Breath“ erfahren.
Und nun: Durchatmen!
Euer Jan
Zum Autor:
Jan Kulmann ist Sportwissenschaftler, Functional Myofascial Trainer, Feldenkrais-Lehrer, Rückentrainer, Funktionelle Sportmassage, Intense Yoga Basic, Spezialist für neurozentriertes Training und TMX MASTER. Zudem ist er zertifizierter Kursleiter für die TMX HOLISTIC MOVEMENT Ausbildung.